Nach internationalen Medienberichten über die Beteiligung oder Verwicklung von Frontex in sogenannte Pushbacks der griechischen Küstenwache geriet die Grenzagentur im vergangenen Jahr unter Druck.[1] Die Vorwürfe gründen auf Material der türkischen Küstenwache, Hunderte Videos zeigen wie Geflüchtete mit Booten ohne Außenbordmotor oder in aufblasbaren Rettungsinseln in türkische Gewässer zurückkommen.[2] Sie belegen außerdem, wie Militär- und Küstenwachschiffe aus Griechenland Asylsuchende zurück zur Seeaußengrenze schleppen, damit diese von der Strömung in Richtung der Türkei getrieben werden.
Zuerst hat eine Arbeitsgruppe des Frontex-Verwaltungsrats, in dem sich die EU-Mitgliedstaaten organisieren, ein Dutzend dieser Fälle untersucht. Der am 5. März vorgelegte Bericht stellt keine Verstöße gegen das Zurückweisungsgebot fest, auch hätten sich die Betroffenen bei einigen der Ereignisse angeblich in türkischen Gewässern befunden.[3] Konsequenzen zog der Verwaltungsrat nicht, forderte jedoch eine Verbesserung des Berichtswesens von Frontex.
Der Innen- und Justizausschuss des EU-Parlamentes (LIBE)hat zeitgleich eine „Frontex Scrutiny Working Group“ (FSWG) aus 14 Abgeordneten gestartet. Sie sammelt „alle relevanten Informationen und Beweise bezüglich angeblicher Grundrechtsverletzungen durch Frontex“ und sichtet Videos der türkischen Küstenwache. Im Juli soll der Bericht vorliegen, darin könnte die Forderung erhoben werden, Einsätze in Griechenland zu beenden. Nach Artikel 46 der Frontex-Verordnung kann dies durch den Direktor erfolgen, wenn diesem Hinweise auf „schwerwiegende oder voraussichtlich weiter anhaltende Verstöße gegen Grundrechte oder Verpflichtungen des internationalen Schutzes“ im Gaststaat vorliegen.
Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ermittelt gegen den Frontex-Chef wegen Mobbing- und Betrugsvorwürfen. Weitere Verfahren sind bei der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly anhängig, darunter zur Wirksamkeit des Beschwerdemechanismus der Agentur und zur Rolle des Grundrechtsbeauftragten. O’Reilly untersucht außerdem die Transparenz von Frontex, die etwa der Plattform „Frag den Staat“ den Zugang zu Dokumenten verweigert, die eine Nachverfolgung der Schiffe ermöglichen würden. Eine neue Klage haben mehrere Anwält*innen nun im Namen zweier Asylsuchender aus Burundi und der Demokratischen Republik Kongo vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht, auch dabei geht es um Pushbacks aus Griechenland.[4]
Zuletzt hat der Europäische Rechnungshof Organisationsdefizite bei Frontex kritisiert.[5] Die Agentur erledige ihre Aufgaben unzureichend und unterstütze die Mitgliedstaaten nicht wirksam genug gegen „illegale Einwanderung“ und grenzüberschreitende Kriminalität. Vor der jährlichen Budgeterhöhung auf 900 Millionen Euro hätte Frontex eine Bewertung zur Ermittlung der Ressourcen, die für die Erfüllung des Mandats der Agentur erforderlich sind, vornehmen müssen. Die letzte unabhängige Überprüfung habe es im Jahr 2015 gegeben. Dies sei besonders besorgniserregend in einer Zeit, in der Frontex zusätzliche Verantwortung übertragen wird.